Kennzeichen: Die Rotdrossel ist die kleinste europäische Drossel. Die Kombination von breitem weißlichem Überaugenstreif mit rostroten Flanken und gestreifter Unterseite macht sie unverkennbar. Im Flug fallen die rostroten Unterflügeldecken auf, die sie klar von fliegenden Singdrosseln unterscheidet.
Lebensraum: Die Rotdrossel ist ein typischer Singvogel der eurasiatischen Taigazone. Sie br ütet dort in verschiedenen Waldgesellschaften von der Küste bis zur Baumgrenze. Sie bevorzugt feuchte, nicht zu alte Wälder, die eine dichte Kronen- und Strauchschicht aufweisen und möglichst an kurz geschnittene Wiesen und Felder grenzen, wo sie Nahrung sucht. Vielerorts besiedelt sie in Skandinavien und Finnland auch Parks und Gärten in Städten wegen der kurzgrasigen Wiesen. In den Fjällgebieten Skandinaviens ist sie Charakterart der Birkenwälder und gehört dort zu den häufigsten Vogelarten. Man schätzt den Bestand Schwedens und Norwegens auf jeweils mehr als eine Million Brutpaare. Mit knapp zwei Millionen Brutpaaren ist die Rotdrossel in Finnland landesweit die dritthäufigste Vogelart.
Verbreitung: Das zusammenhängende Verbreitungsgebiet der Rotdrossel reicht von Nord- und Nordosteuropa quer durch die Taigazone bis Ostsibirien. Nördlich der Waldzone besiedelt die Art auch Tundragebiete, wenn es dort felsige Bereiche gibt, wo das Nest angelegt werden kann. Außerdem kommt sie im Gebirge vor. Die Südgrenze in Europa verläuft durch Südschweden, Nordostpolen, das Baltikum und das südliche Weißrussland. Isolierte Vorkommen bestehen in Südwestgrönland, Island und Schottland. In Mitteleuropa brütet die Art in Polen sowie in den Mittelgebirgen Tschechiens regelmäßig, wenn auch selten (unter 1.000 Brutpaare). Dagegen ist sie unregelmäßiger Brutvogel in Deutschland, Österreich und in der Slowakei. Diese Brutversuche stammen von einzelnen Paaren, die ihren Heimzug vorzeitig abbrechen und in Landschaften brüten, die von der Struktur und Vegetation her ihrer nordischen Brutheimat entsprechen.
Zug: In Mitteleuropa ist die Rotdrossel ein häufiger Durchzügler, aber viel seltener als Wintergast. Die Überwinterungsgebiete liegen in West- und Südeuropa, in Nordafrika, Teilen der Türkei und im Kaukasusgebiet bis Turkmenien. Die Winterquartiere ändern sich von Jahr zu Jahr und es gibt Nachweise von Vögeln, die in einem Jahr in Großbritannien und im nächsten Jahr in Griechenland überwinterten.
Nahrung: In Mitteleuropa sieht man sie zur Zugzeit nicht selten zusammen mit Wacholderdrosseln in gemischten Trupps. Gemeinsam besuchen die Drosseln im Herbst beerentragende Sträucher oder suchen auf einer Wiese Nahrung, im Gegensatz zur Singdrossel häufig auch weit von schützenden Büschen oder dem Waldrand entfernt. Hauptnahrung sind Regenwürmer, aber auch Insekten, deren Larven sowie Schnecken spielen eine wichtige Rolle. Ab Spätsommer werden vorwiegend verschiedene Beeren, wie Heidelbeere, Krähenbeere oder Vogelbeere verzehrt. In britischen Überwinterungsgebieten sind Weißdornbeeren für Rot- und Wacholderdrossel wichtig, nicht aber für die dort brütenden Drosselarten.
Stimme: Von einer Verwandten solch begabter Sängerinnen wie Sing- oder Misteldrossel erwartet man, dass sie mehr als nur ein einziges Lied beherrscht. Doch obwohl der Gesang innerhalb der Art variabel ist, wiederholen männliche Rotdrosseln in einer bestimmten Gegend wieder und wieder dasselbe Stück. Ihre Äußerungen unterscheiden sich allerdings von denen der Vögel in anderen Regionen, daher kann man sie als Dialekte betrachten. In Norwegen wurde ein bestimmter Dialekt im Schnitt in einem 41,5 Quadratkilometer großen Gebiet gesungen. Zwischen den einzelnen Dialekten gab es klare Grenzen.
Der Gesang der Rotdrossel ist deutlich zweigeteilt . Er besteht aus schnellen, meist etwas schwermütig klingenden, oft abfallenden Reihen von Flötentönen, an die sich ein hastiges, gepresstes Gezwitscher anschließt. Dieser zweite, eher aggressiv gemeinte Teil dient mehr der Revierabgrenzung. Im Laufe der Brutzeit wird er immer kürzer. Andererseits kann dieser Gesangsteil bei territorialen Auseinandersetzungen lang anhaltend vorgetragen werden.
Brut: Das Nest aus Gras, Zweigen, Flechten und Erde wird ziemlich niedrig gebaut - in Bäumen, auch in abgebrochenen, oder auf Baumstümpfen, in Büschen, auf Holzstößen oder am Boden neben einem Felsen. In Städten brüten die Drosseln auch außen an unbewohnten Gebäuden und gelegentlich sogar in Ampeln. Die Rotdrossel ist besonders zur Brutzeit scheu und argwöhnisch. Sie geben ihre Nester bei Störungen schnell auf, fangen aber sofort mit dem Bau eines neuen Nests an.